Industrie 4.0 – Die Befehle des Werkstücks
Am 24. November öffnet die SPS IPC Drives zum 26. Mal ihre Pforten. Mit knapp 60.000 Besuchern und über 1.600 Ausstellern in 2014, wird sich auch dieses Jahr alles einfinden, was im Bereich der elektrischen Automatisierung Rang und Namen hat. Bereits im vergangenen Jahr drehte sich vieles rund um das Thema „Industrie 4.0“ und auch dieses Jahr führt kein Weg daran vorbei. Da überrascht die Aussage von Unternehmern, dass sich bisher nur knapp ein Viertel tatsächlich mit diesem Thema auseinandersetzt. Daher stellt sich dieser Beitrag der Frage: Was ist Industrie 4.0?
Der Begriff „Industrie 4.0“ soll die vierte industrielle Revolution zum Ausdruck bringen. Diese reiht sich ein in eine Folge weltbewegender technischer Entwicklungen. Die erste industrielle Revolution bestand aus der Entdeckung der Möglichkeit Kraft mit Hilfe von Wasser bzw. Dampf erzeugen zu können. Dadurch konstruierte Thomas Newcomen im Jahr 1712 die erste funktionsfähige Dampfmaschine. Ein für Deutschland wichtiger Schritt war die zweite industrielle Revolution. Diese fand gegen Ende des 19. Jahrhunderts statt und brachte den Aufstieg neuer Industriesektoren wie Chemieindustrie und Elektrotechnik mit sich. Deutschland stieg vor allem aufgrund der Einführung weitgehend automatisierter Fertigungstechniken zu einer weltweit bedeutenden Industrienation auf. Mit der Erfindung des Mikrochips fiel der Startschuss für die dritte industrielle Revolution. Die Einführung der flexiblen Automatisierung der Produktion und der Aufbau weltweiter Kommunikationswege, wie dem Internet, sind daraus folgende Merkmale dieses Zeitalters, das auch unter dem Namen der „Digitalen Revolution“ bekannt ist. Wenn die Bauteile nun eigenständig mit der Produktionsanlage kommunizieren und fähig sind, bei Bedarf selbst eine Reparatur zu veranlassen – wenn sich Menschen, Maschinen und industrielle Prozesse intelligent vernetzen, dann sind wir in der Zukunft angekommen – der Industrie 4.0.
Der Grundgedanke des neuen Industriezeitalters ist denkbar einfach. Obwohl wir uns inzwischen inmitten dieser industriellen Revolution befinden, verschmelzen in der nahen Zukunft die physikalische und die virtuelle Welt weiter miteinander. Neue Trends, wie das Internet der Dinge, intelligente Fabriken und cyber-physische Systeme stellen Haupttreiber dieser Entwicklungen dar. Diese treiben die Produktion vernetzter und intelligenter Objekte mithilfe immer autonomerer Systeme und Prozesse weiter voran.
Das Potential dieser Entwicklung scheint vielversprechend. Teile erhalten ein „Selbstbewusstsein“, mit dessen Hilfe die Geräte wissen, wer sie sind und wann Bedarf an ihnen besteht. Das führt zu einem Werkzeugschrank, der sowohl weiß, was montiert werden soll, als auch welches Werkzeug dabei verwendet werden muss. Sensoren, Aktoren, Maschinen und andere Komponenten übernehmen Aufgaben, die heute noch zentral ein Leitsystem verarbeitet. Dadurch sparen Unternehmen nicht nur gewaltige Kosten, sondern sind zusätzlich enorm flexibel. Durch neueste Fertigungstechnik und der Vernetzung der einzelnen Systeme, kann auf eine Auftragsänderung schnellstens reagiert werden. Damit schafft die Industrie 4.0 nicht nur eine effiziente Produktion, sondern auch die Möglichkeit Produkte auf spezielle Kundenwünsche flexibel anpassen zu können.
Die Industrie 4.0 kann zur großen Erfolgsgeschichte reifen, doch sie benötigt Geduld statt Euphorie. Es fehlt momentan an ausgereiften Ideen. So verhindert, laut dem Report „Mobile Trends 2015“ vom Verband der Internetwirtschaft eco, die Angst vor Diebstahl des geistigen Eigentums in vielen Fällen den Einsatz von Industrie 4.0-Lösungen. Diese Befürchtung bestätigen 61 Prozent der befragten IT-Experten. Weitere einschränkende Hürden stellen die hohe Komplexität oder Schwierigkeiten, lohnende Businessmodelle zu entwickeln, dar. Gemäß einer Studie der IDC, sind zusätzliche Hindernisse die Finanzierung der Umsetzung oder die Herausforderung, bestehende Strukturen und Abläufe aufzubrechen. Diese gilt es in der Zukunft zu überwinden.
„Innovation hängt ab von Erfindung, und Erfinder sollten wie die Popstars der Industrie behandelt werden“ (Prinz Philip von Großbrit. u. Nord-Irland)
Die Industrie 4.0 hat das Zeug die Welt zu verändern, allerdings müssen Vision und Realität eindeutig getrennt werden. Mit der intelligenten Selbststeuerung kann jedes Produkt wirtschaftlich und gleichzeitig nach Kundenbedürfnissen hergestellt werden. Somit entwickelt diese die Massenproduktion weiter und vereint die Vorteile von Fließband- und Werkstattfertigung. Allerdings bedeutet das nicht nur Chancen und Möglichkeiten. Es ist die Herausforderung an Produktionssysteme, Maschinen und letztendlich auch den Menschen, diese zu verwirklichen.