Autonomes Fahren – Die Zukunft der individuellen Mobilität
Autonomes Fahren ist in der jüngsten Vergangenheit nicht durch positive Meldungen aufgefallen. Die tödlichen Unfälle mit Teslas Model S, unter Umständen ausgelöst durch den noch nicht ausgereiften Autopiloten, dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass autonome Fahrzeuge eine rasante Entwicklung durchlaufen. Die Brisanz dieser disruptiven Innovation haben neben Tech-Größen aus dem Silicon Valley auch die deutschen Autohersteller erkannt. BMWs Kooperation mit der niederländisch-israelischen Firma Mobileye, welche Kamerasysteme für autonome Fahrzeuge entwickelt, beweist dies nachdrücklich. Verschiedene Aspekte lassen vermuten, dass selbstfahrende Autos keine der üblichen Innovationen in der Fahrzeugindustrie sind. Es kann im Gegenteil davon ausgegangen werden, dass diese zu einem Game Changer für die gesamte Automobilbranche werden können.
Autonom fahrende Fahrzeuge haben in den letzten Jahren große Fortschritte durchlaufen. Erst 2005 schickte Google fünf selbstfahrende Autos auf einen 200 km langen Off-Road-Kurs in der Wüste Nevadas. Bereits zwei Jahre später navigierten sechs Fahrzeuge, unter Einhaltung aller entsprechenden Verkehrsregeln, entlang einer Route in Kalifornien, welche den urbanen Verkehr simuliert. Seither haben die Autos von Google über eine Million Kilometer an Strecke autonom fahrend zurückgelegt. Doch auch deutsche Konzerne arbeiten mit Hochdruck an der praktischen Umsetzung. Der Autozulieferer Continental hat autonom fahrenden Fahrzeugen eine strategische Priorität zugeordnet und sich das Ziel gesetzt, die Technologie bis 2025 zu meistern. BMW möchte sogar bereits 2021 voll funktionsfähige selbstfahrende Autos auf den Markt bringen.
Doch welchen Einfluss wird diese Innovation auf die Automobilindustrie haben? Der Großteil der einschlägigen Experten basiert ihre Prognosen bislang noch auf Erfahrungen der Vergangenheit und erwartet eine graduelle Durchdringung des Marktes. Verwendet man beispielsweise Airbags als Referenz, so könnte es Jahrzehnte dauern, bis selbstfahrende Autos die Mehrheit der Fahrzeuge auf der Straße darstellen. Vieles spricht allerdings dafür, dass diese Technologie von dem gewöhnlichen Pfad abweichen und sowohl schneller als auch fundamentaler die Automobilindustrie beeinflussen könnte. Verschiede Aspekte sind hierfür ausschlaggebend:
Mobilität als Service
Fahrzeuge, die ohne menschliches Zutun fahren können, verändern die Wirtschaftlichkeit von Personentransport signifikant. Zwei zentrale Ressourcen werden dadurch freigesetzt: der Fahrer und das Fahrzeug selbst. Dramatische Effekte infolge der Freisetzung limitierender Ressourcen zeigten sich beispielsweise bereits in der Buchindustrie, nachdem Bücher durch die Digitalisierung nicht mehr an Papier gebunden waren. Aktuell sind Fahrzeuge im Durchschnitt 95 % der Zeit geparkt, in Stunden ausgedrückt bedeutet dies, dass sich Fahrzeuge etwa 23 h am Tag ungenutzt im öffentlichen Raum oder auf privaten Grundstücken befinden. Kritiker des automobilen Konsumverhaltens sprechen auch von sogenannten „Stehzeugen“. Autonom fahrende Fahrzeuge werden diesen Nachteil nachhaltig beheben. Konsumenten könnten Fahrzeuge beispielsweise via Smartphone App immer entsprechend dem tatsächlichen Bedarf anfordern. Dieses käme in der Folge selbst zum Kunden gefahren und würde eigenständig das gewünschte Ziel ansteuern. Mobilität als Serviceleistung ist geschaffen. Die daraus resultierende höhere Nutzungsrate des Fahrzeugs dürfte zu erheblichen Kostenreduzierungen führen, ohne bei der individuellen Mobilität Abschläge hinnehmen zu müssen.
Adoptionsrate
Innovationen in der Automobilindustrie haben in der Vergangenheit meist Jahre gebraucht, um bei den Kunden angenommen zu werden. Letztere besitzen in der Regel eine hohe Preissensitivität bezüglich Sicherheitsinnovationen. Ein solches Verhalten ist per se nicht irrational. Unfälle passieren im Verhältnis zu der Gesamtzahl an Fahrzeugen auf der Straße vergleichsweise selten. Autofahrer schätzen dadurch ihr eigenes Risiko in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden als niedrig ein. Folglich sind nur wenige bereit, zusätzliche Investitionen zu tätigen, um ihre Sicherheit zu erhöhen. Zwar ist die Einführung von autonomen Fahrzeugen durch Sicherheitsaspekte geprägt, da diese im Idealfall keine oder zumindest deutlich weniger Fehler als menschliche Fahrer machen sollten. Die Attraktivität für Autokäufer entspringt aber aus einem anderen Gesichtspunkt: Gemäß einer Studie der American Automobile Association verbringen US-Bürger pro Tag im Durchschnitt ca. 46 Minuten am Steuer. Für Deutschland dürften ähnliche Werte gelten. Bewerten Personen ihre Freizeit nun mit lediglich 5 €/h, so verspricht autonomes Fahren einem jährlichen Mehrwert von 1400 €. Die Vorteile selbstfahrender Autos sind für den Konsumenten somit durch gesparte Zeit deutlich offensichtlicher als bei anderen Assistenzsystemen. Die Adoptionsrate sollte entsprechend höher liegen und autonomes Fahren eine schnellere Marktdurchdringung erfahren.
Großer Entwicklungssprung
Obwohl selbstfahrende Autos in den letzten Jahren signifikante Entwicklungen durchlaufen haben, kann bislang nur von eingeschränkt autonom fahrenden Fahrzeugen gesprochen werden. Tesla selbst verweist darauf, dass sich der eingebaute Autopilot noch im Beta Stadium befindet und Kunden zu jedem Zeitpunkt ihre Hände am Lenkrad behalten sollen. Dass der Autopilot noch nicht voll ausgereift ist, wurde durch diverse Unfälle aufgrund des Autopiloten jüngst bestätigt. In der Tat stellen voll funktionsfähige, autonom fahrende Autos eine enorme technische Herausforderung dar. Denn sobald dem Konsumenten suggeriert wird, dass seine Aufmerksamkeit nicht erforderlich ist, gibt es keinen Spielraum mehr für technische Fehler. Das System muss alle potentiellen Situationen des Straßenverkehrs nahezu perfekt beherrschen; zumindest aber besser als menschliche Fahrer dies könnten. Diese geringe Toleranz für technische Fehler verhindert eine schrittweise Einführung. Google hat diese Problematik erkannt und fokussiert sich im Gegensatz zu Tesla auf vollständig autonom fahrende Fahrzeuge. Unabhängig von der Herangehensweise ist jedoch für jedes selbstfahrende Auto die Überbrückung eines großen technischen Entwicklungssprungs für die Markteinführung essentiell.
Autonomes Fahren hat ein enormes Potential die Autoindustrie schnell und nachdrücklich zu verändern sowie neue Geschäftsmodelle hervorzubringen. Mobilität als Service wird die Nutzungsrate von Fahrzeugen signifikant erhöhen und Kosten minimieren. Fahrzeugmodelle können speziell auf Kurz- oder Langstrecken angepasst werden, da Konsumenten Autos je nach Bedarf erhalten können. Ebenso unterstützt Mobilität als Service die Laufzeit von Fahrzeugen, da Flottenmanager Wartungen gezielter durchführen und Verschleißteile austauschen können. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass autonome Fahrzeuge zum Inkubator für Elektromobilität werden. Im Moment stellt die geringe Reichweite die größte Hürde für Elektroautos dar. In Zukunft könnten diese allerdings primär für kurze Stadtstrecken eingesetzt werden. Bei Strecken von 15 Kilometern mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 km/h könnte ein elektrisch betriebenes Flottenfahrzeug mit nur 150 km Reichweite – Teslas Modell S erreicht bereits um die 300 km – nahezu 4 h kontinuierlich zum Transport von Personen eingesetzt werden. Daneben ermöglichen autonomes Fahren und Mobilität als Service auch das bessere Management von Transportanforderungen. Autonome Fahrzeuge könnten Daten über die geographische und zeitliche Nachfrage von Transportanforderungen der Kunden sammeln. Pendler werden beispielsweise morgens einen festen Abfahrtzeitpunkt präferieren, diesen bei der Rückkehr allerdings flexibel wählen wollen. Ausgewertet können die Schwarmdaten einer Fahrzeugflotte einer Big Data Analyse zugänglich gemacht werden, um den Verkehrsfluss effektiver und effizienter zu gestalten. Kosten werden eingespart und der ökologische Fußabdruck wird verringert. Nicht zuletzt ermöglichen autonome Fahrzeuge angehängte Geschäftsmodelle. In Zeiten zwischen 0 und 5 Uhr morgens werden die meisten Autos nicht genutzt. Flottenmanager werden versuchen, die Fahrzeuge auch während dieser Zeitspanne einer Verwendung zuzuführen. Denkbar sind beispielsweise Paketlieferungen.
Es ergibt sich, dass autonome Fahrzeuge die Automobilindustrie fundamental transformieren werden. Das Wissen über ihr disruptives Potential ist für alle Beteiligten wichtig. Dies gilt für die großen Autokonzerne genauso wie für ihre Zulieferer. Ebenso kann diese neue Technologie völlig neue Geschäftsmodelle hervorrufen; der Einfluss ist somit nicht auf die Autoindustrie beschränkt. Dementsprechend sind nahezu alle Industriezweige angehalten, die Entwicklungen zum autonom fahrenden Auto genau zu beobachten und in Frage zu stellen, wie die eigene Wertschöpfung davon beeinflusst werden könnte.
Als Studenten der TU Darmstadt stehen die Berater von Junior Comtec stets mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Digitalisierung in Berührung. Erfahrung und ein ausgeprägtes Verständnis für betriebswissenschaftliche Zusammenhänge unterstützen darüber hinaus die Fähigkeit, Märkte in Transformationsprozessen richtig einschätzen zu können. In unterschiedlichen Marktstudien konnten bereits verschiedene Unternehmen bei einer strategischen Neuausrichtung erfolgreich unterstützt werden.