Studentische Unternehmensberatungen und ihre Dachverbände
Stellen Sie sich vor, Sie lernen ihren späteren Arbeitnehmer schon während des Studiums in gemeinsamer Projektarbeit kennen…
Dies ist längst keine Fiktion, denn einige Studenten engagieren sich neben dem Studium als studentische Unternehmensberater und arbeiten häufig beim Kunden vor Ort.
Mit dem aus Frankreich stammenden Konzept studentischer Unternehmensberatungen entsteht eine Verknüpfung von Studenten und Unternehmen im Sinne von gemeinsamer Projektarbeit. Ziel ist auf Seite der Studenten, die im Studium erlernten Theorien und Konzepte in Form von Projekten mit Unternehmen in die Praxis umzusetzen und so Einblicke in die Arbeitswelt zu gewinnen. Auf Unternehmerseite sind vor allem das aktuelle Hochschulwissen sowie der „frische Wind“ der ideenreichen und umsetzungsstarken Studenten gefragt. Aber auch der „Recruitingfaktor“ und das erste Kennenlernen potentieller zukünftiger Arbeitnehmer ist für Unternehmer in dieser Zusammenarbeit ein Gewinn.
Das Konzept hat Erfolg: In Europa existieren mittlerweile 600 solcher Beratungen, alleine in Deutschland sind es 121. Wir klären: wie sind sie organisiert, wer steckt hinter dem Konzept und inwiefern können Unternehmen davon profitieren?
Mittlerweile hat das Konzept weltweit viele Anhänger in Form von Vereinen und Unternehmen gefunden, die als studentische Unternehmensberatungen oder sogenannten JEs (franz.: „Junior Enterprises“) bekannt sind. Eine 1967 in Frankreich von der Pariser Business School ESSEC gegründete Vereinigung gilt als Vorreiterorganisation der heutzutage weit verbreiteten studentischen Unternehmensberatungen.
Diese JEs sind meist von Studenten gegründet und werden in der Regel nach wie vor von Studenten geleitet, organisiert und weiterentwickelt. Um die Idee einer studentischen Unternehmensberatung zu wahren und um stets neue Studenten für die Beratertätigkeit zu gewinnen, liegt ihre Verwurzelung in Universitäten oder Hochschulen.
Um Weiterentwicklung und Fortbildung abseits der Universitätsgrenzen in Form von Workshops und Seminaren zu erlangen, kooperieren sie vornehmlich mit hauptberuflichen Unternehmensberatungen sowie mit anderen studentischen Unternehmensberatungen.
Bereits in den 1990er Jahren haben sich Netzwerke aus einzelnen studentischen Beratungen formiert. So umfasst beispielsweise der europäische Dachverband „JADE – European Confederation of Junior Enterprises“ mehr als 300 „Junior Enterprises“, wobei diese nicht ausschließlich aus studentischen Unternehmensberatungen per se bestehen. Mitglieder sind neben studentischen Unternehmensberatungen auch Unternehmen und Organisationen, die von Studenten ins Leben gerufen und geleitet werden.
Durch Unternehmen unterstützt und gefördert, dienen diese Netzwerke dem Wissensaustausch der JEs sowie der Fortbildung und Weiterentwicklung ihrer Mitglieder. Zu diesem Zweck finden regelmäßig Netzwerkevents in Form von Tagungen oder Konferenzen statt.
Auch in Deutschland haben sich JEs, explizit im Arbeitszweig der studentischen Unternehmensberatungen, zusammengeschlossen und zu kleineren Dachverbänden formiert. Vorwiegend konkurrieren in Deutschland zwei Netzwerke ähnlicher Größe:
„JCNetwork“ ist das kleinere der beiden Netzwerke und besteht nach eigener Angabe aus 27 Vereinen und circa 1.400 Studenten, die im Mittel 400 Beratertage pro Jahr pro Mitgliedsverein leisten. Neben dem Kontakt der Mitglieder untereinander pflegt das Netzwerk viele Kooperationen zu großen Unternehmen der Beratungsbranche. Zu ihnen zählen unter anderem die Unternehmensberatungen Campana & Schott und SKS sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Im Laufe der Jahre haben die Mitglieder des Netzwerks in Zusammenarbeit mit hauptberuflichen Unternehmensberatungen ein eigenes Zertifizierungssystem für studentische Berater entwickelt und etabliert.
Das zweite Netzwerk, der Bund Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen (BDSU), besteht aus 26 studentischen Unternehmensberatungen, circa 2.300 Studenten und leistete bis heute circa 75.000 Beratertage. Der BDSU ist ähnlich wie das bereits vorgestellte „JCNetwork“ organisiert. Darüber hinaus verfolgt er strikte Aufnahmeregeln für Vereine, die dem Netzwerk beitreten wollen und pflegt eine weitere Kooperation mit „JADE“ im europäischen Kontext.
Trotz der Unterschiede verfolgen alle Verbände die gleichen Ziele, nämlich die individuelle Entwicklung, Aus- und Fortbildung jedes einzelnen Mitglieds zu fördern.
Veranstaltungen wie Kongresse und Tagungen mit Seminaren, Schulungen und Workshops in Kooperationen mit mittelständischen Unternehmen sowie DAX-Konzernen gehören mittlerweile zur Tradition dieser Verbände und fördern das aus der Ursprungsidee entstandene Konzept.
Von einer Vielfalt an Expertise profitieren nicht nur die Mitglieder, die eine vielseitige Weiterbildung genießen, sondern vor allem Unternehmen, die auf die Dienstleistungen einer studentischen Unternehmensberatung in Form von Beratungsprojekten zurückgreifen. Das Verhältnis von anwendungserprobten Praxismethoden und aktuellem Hochschulwissen sowie der unvoreingenommene Blickwinkel der Studenten machen das Konzept der JEs so interessant und wecken die Neugier der Industrie. Den großen Konzernen bereits längst bekannt, den Mittelständlern immer geläufiger, erscheinen die „Beratungen der Young Professionals“ als willkommene Alternative zum klassischen Beratungsgeschäft. Insbesondere die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden, der neue Blickwinkel sowie der Ideenreichtum und die Leidenschaft der Studenten, eine maßgeschneiderte Lösung für den Kunden zu erarbeiten, sind für Unternehmen ein Grund mehr, sich für die „Berater aus dem Hörsaal“ zu entscheiden – vielleicht treffen sie während der Projektarbeit auf einen ihrer zukünftigen Arbeiternehmer.
Maximilian Gras studiert Physik (B. Sc.) an der TU Darmstadt. Er konnte bereits in einer Client-Management-Studie für ein mittelständisches, international operierendes Unternehmen Projekterfahrung sammeln. Seine Kernaufgaben umfassten insbesondere eine Analyse des Wettbewerbsumfelds und der Anbieter von Client-Management-Lösungen sowie der Erarbeitung eines IT-Anforderungskatalogs.